Mittwoch, 12. Januar 2011

Zu alt für den Scheiß?

War's das jetzt? Im Forum wird die aktuelle GamePro-Ausgabe gelobt, aber ich werde einfach nicht mehr richtig warm mit dem Videospielmagazin. Der Relaunch Mitte 2010 hatte das Heft für mich optisch attraktiver gemacht, aber inhaltlich ist doch vieles beim Alten geblieben. Zusammen mit weniger Tests im Heft, einer schrecklicken Website und dem munteren Artikelaustausch mit GameStar bin ich nun reif für die Kündigung meines Abos. Ich wollte den Schlussstrich eigentlich erst ziehen, wenn die seit Jahren versprochenen PDF-Ausgaben das Licht der Welt erblickt haben, aber der Verlag sitzt die Angelegenheit beharrlich aus.

Jetzt also die erste Ausgabe (2/11 *hust*) des neuen Jahres. Die Formulierungen auf dem Cover sind bekannt grenzwertig und geschickt manipulativ, Fragezeichen sei Dank:

"Härter, blutiger, besser?" (Dead Space 2)
«Verstümmelung - ein Wort, das uns mit der Wucht eines stumpfen Axtblattes trifft. Ein Wort, das uns an zügellose Gewalt denken lässt. Ein Wort, das unabgenehme Bilder in unsere Köpfe projiziert. [...] Genau wie sich seine Ingenieurswerkzeuge in Waffen verwandelten, wurde Isaac selbst zu einer Waffe, bereit alles zu tun, um das eigene Überleben zu sichern - auch wenn das bedeutet, ehemalige Freunde und Kollegen zu verstümmeln.»
Ob das Spiel nun härter, blutiger und/oder besser als der 2008er Vorgänger Dead Space ist, bleibt in Henry Ernsts vierseitigem Test vage - das Fazit: "Horror, Druck und Blutfontänen. Wer es hart braucht, braucht Dead Space 2."

"Herzhaft genial oder geschmacklos brutal?" (Mortal Kombat)

Dies wird im sechsseitigen Preview nicht beantwortet, denn natürlich steht als Antwort "beides" zwischen den Zeilen. Der Text selbst von Kai Schmidt ist informativ, aber fragwürdig formuliert. Ab Seite 3 wird das Markenzeichen von Mortal Kombat thematisiert, nämlich dessen Brutalität und die Fatalitys, "übertrieben blutrünstige Finishing Moves":
«Egal ob der Sieger den Oberkörper des Unterlegenen mit einem lauten Schmatzen abreißt oder sein Körper der Länge nach durchgesägt wir - hier zeigt sich, dass Mortal Kombat nach wie vor kein Spiel für Kinder und Jugendliche ist [...].»
Nach dieser, äh, Mahnung können dann unbelastet weitere Details beschrieben werden und GamePro ist sich "ziemlich sicher, dass das noch längst nicht alle Stage-spezifischen Todesarten waren!" Knochen zertrümmern, Organe zermatschen, Augen ausstechen, Brustkästen pulverisieren, Wirbelsäulen brechen, freigelegte Kiefer, herausschauende Rippen, herumbaumelnde Fleischfetzen - "rein virtuell natürlich". Mortal Kombat bleibe "trotz allem immer noch ein Videospiel-Spektakel, das natürlich nicht ernst gemeint ist". Kunst darf schließlich alles und der entsprechende Anspruch des Spiels ist für GamePro: "Pfeif auf den guten Geschmack". Aber:
«Auch wenn man die aberwitzige Splatter-Eruptionen nicht für voll nehmen kann, haben sie ein nicht zu leugnendes Jugendgefährdungspotenzial. [...] Abgesehen von allen potenziellen Geschmacklosigkeiten und Jugendschutzvorbehalten ist Mortal Kombat ein erfrischend altmodisches Beat 'em up.»
Mortal Kombat soll im April 2010 erscheinen und GamePro gefällt daran: "unglaublich blutig".

GamePro Elements

Diese Rubrik behandelt an sich einfallslose, aber grundlegende Dinge wie Feindbilder oder Kleidung in Videospielen, diesen Monat passend zu oben genannten Spielen: Der freie Redakteuer Stephan Freundorfer, Autor fast alle Elements-Texte, befasst sich mit der Darstellung von Blut.
«Die zentrale Flüssigkeit von Mensch und Wirbeltier transportiert nicht nur Nährstoffe, sondern auch eine Botschaft: Wenn sie ungehemmt fließt, dann sind Leib und Leben in Gefahr; wenn Blut vergossen wird, dann ist körperliche Gewalt im Spiel. Blut besitzt Symbolcharakter - und enormes Konfliktpotential!»
Gewalt und Nacktheit

Man muss seine Prioritäten kennen! Von den 22 Zeilen des Previews zum Parasite Eve-Nachfolger The 3rd Birthday werden fünf auf diese, äh, wichtigen Details verwandt:
«Damit Aya mit den vielen Knarren eine gute Figur macht, erhält sie im Laufe des Spiels auch unterschiedliche Kostüme (etwa den Dienstmädchen- oder Santa-Look), die im Kampf immer weiter zerfetzt werden und zunehmend Haut zeigen. Wer noch mehr Haut sehen will, darf sich auf eine heiße Duschszene freuen.»
Mein Abonnement

Gerade sehe ich, dass gestern das Geld für die GamePro-Aboverlängerung abgebucht wurde. 6 Euro Ersparnis pro Jahr gegenüber dem Ladenkauf ist irgendwie auch ein Witz. Genauso lustig, dass ich beim Nachschlagen der Aboservice-Kontaktdaten jetzt erst lese, dass es auch ein Studentenabo für nochmals 6 Euro weniger gibt. Dann mal schauen, ob sich das Abo per Mail kündigen lässt...

PS: Drei Vier Texte bzw. sechs acht Seiten der GamePro 2/11 stammen von GameStar-Schreibern (GS 2/11); das Preview, die drei Tests sowie eine Wertung wurden marginalst verändert.

Freitag, 31. Dezember 2010

POLYGONaler Jahresabschluss [Update]

Polygon 2010

Bevor ich dann nachher Silvester boykottieren gehe, noch ad hoc mein Jahresrückblick. Auch wenn sich HomiSiteBlog nicht als reines Gaming-Blog versteht, so nehmen Bildschirmspiele doch genügend Platz hier ein, um einfach mal beim POLYGON mitzumachen - denn bei den Kategorien habe ich's einfach:

PC/Mac: Seit einigen Monaten besitze ich einen spieletauglichen Computer, aber genutzt habe ich ihn fürs Zocken aktueller Vollpreisspiele nicht.

PlayStation 3: Besitze ich nicht.

Xbox 360: Modern Warfare 2! Oh, das ist letztes Jahr erschienen? Naja, andere Leute zocken wegen WoW nix anderes, bei mir ist es fast wegen MW2 so. Alle großen Titel 2010 habe ich entweder aufgrund von Nichtinteresse ausgelassen (Mass Effect 2, Alan Wake, Assassin's Creed: Brotherhood), sind nach der Demo auf meiner Budget-Liste gelandet (Enslaved, Vanquish), will ich mal als Game-of-the-Year-Edition am PC spielen (Dragon Age: Origins) oder liegen unangetastet auf meinem "Pile of Shame" (Red Dead Redemption, Deadly Premonition ;-). Mein Co-Autor Damnlord hätte einen Großteil dieser Titel sicher genannt und die Koop-Kampagne von Halo: Reach war spaßig, aber ich nominiere jetzt nur ein einziges Spiel, das ich bis heute nicht einmal durchgespielt habe: Bayonetta! Weil es toll aussieht, verrückt, abgedreht und "easy to learn, hard to master" ist und ich Jeanne hasse.

Wii: Besitze ich nicht.

Eigenständiger Download-only-Titel (XBL/PSN/WiiWare/PC-Indie): Ich habe dieses Jahr ziemlich viele XBLA- und XBLIG-Spiele gespielt und auch bei manchen PC-Indies zugegriffen (the year of the bundles). Nur gespielt habe ich Hypetitel wie Frozen Synapse oder Minecraft kaum. Kam letzteres nicht eigentlich schon 2009 heraus? Aber wer kann das in unseren heutigen "Always Beta"-Zeiten schon wissen. Da könnte ich auch die 4.0 von AI War nennen, leider ebensowenig gezockt. BTW: Sonderpreis an Arcen Games für konstanten Patch-Output selbst über Weihnachten!
Wieviel Geld hat Minecraft jetzt eingespielt? Genau lässt es sich nicht sagen, da das Spiel am 20.12. in die Betaphase ging und der Preis damit auf 14,95 Euro angehoben wurde (Alphakäufer bekommen weiterhin "all future updates for free"). Während ich dies schreibe, haben 915.682 Leute Minecraft gekauft, davon 6.588 in den letzten 24 Stunden. Macht also einen Umsatz von mindestens 9,1 Millionen Euro! Glückwunsch!

Schlussendlich habe ich nur ein Download-only-Spiel gezockt, welches mich wirklich beeindruckt hat: LIMBO. Weil es aufgrund seiner archaischen Konventionalität erfrischend unkonventionell ist und audiovisuell tief beeindruckt.

DLC/AddOn: Die AI War-Expansions habe ich bisher nicht gespielt, den Rest wie kostenpflichtige Mappacks nominiere ich nicht. Also nenne ich einfach mal den "Spunky Cola Special"-DLC für Monday Night Combat, weswegen ich mir das Spiel überhaupt erst zulegte: Neue Maps, Spielmodi, Bugfixes etc. für umsonst!

Handheld/Mobil (iOS, DS, PSP, Android etc.): Keines der wenigen Spiele, die ich für meinen NDS dieses Jahr gekauft habe, sind auch 2010 erschienen.

Update: Die Gewinner des POLYGON 2010 wurden am 4. Januar bekanntgegeben. Nicht allzu viele Unterschiede zum Mainstream auf den vordersten Plätzen, aber über 40 Teilnehmer. Kritik an der Aktion gibt es auch, z.B. in den Kommentaren bei These Nerds.

Soviel dazu, jetzt noch kurz Serien und Filme:

Serien 2010: Flop des Jahres war The Event, weil nach dem Ende der "großen Serien" 24 und Lost (ächz, das Finale...) wohl ein Nachfolgehit am Reißbrett geplant werden sollte. Klischees über Klischees und ich wüsste kaum eine phantastische Serie der letzten Jahre, bei der nicht geklaut wurde - da helfen auch keine Hot Bad Bitch und D.B. Sweeney. Ebenfalls eher ernüchtert war ich von The Walking Dead, weil in der kurzen Zeit von nur sechs Folgen kaum eine Bindung zu den (zu) zahlreichen Charakteren aufgebaut werden konnte, die Serie aber oft darauf setzt. Aber hey, wann wurde so im TV gesplattert?

Famose Neustarts habe ich keine wahrgenommen, aber positiv überrascht wurde ich durch Fringe, dessen Ende von Staffel 2 und die bisherige Staffel 3 ungeahnte Qualitätsregionen erreicht - die Mythologie und die Charaktere sind dem Zuschauer mittlerweile vertraut und die Serie löst sich vom "Vorfall der Woche". Weiterhin ist die fünfte Staffel von Dexter die beste der Serie seit mindestens der dritten Season! Konstante Spannung, kein Leerlauf und glaubhafte Entwicklungen. Jetzt ein spektakulärer Serienabschluss mit Dexters Enttarnung in Staffel 6?

Filme 2010: Habe nicht viel gesehen und wie bei den Serien noch weniger darüber gebloggt. "Blockbuster des Jahres" ist Inception - auch wenn Christopher Nolan keine Schießereien inszenieren kann und das Filmplakat eigentlich den Zuschauer bescheißt. Komödie/Nerdfilm/Comicadaption (ohne die Vorlage zu kennen :-) des Jahres ist Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt.

Frohes Neues!

Samstag, 11. Dezember 2010

Eine Chance [Update]

(Bevor jemand dieses Tagebuch liest, sollte er vielleicht zuerst alles selbst erleben!)

Heute ist es soweit! Sieben Jahre haben meine Kollegen und ich geschuftet, unsere Liebsten vernachlässigt und Freizeit geopfert. Doch es hat sich gelohnt: Unser Impfstoff wird die Welt vom Krebs erlösen! Heute werden wir ihn der Menschheit übergeben. Die Verteilung ist ebenso bahnbrechend - einfach über den Luftweg. Molly will mal wieder nicht zur Schule, Penny wünscht mir alles Gute für meinen großen Tag und ich fahre zur Arbeit. Ausgelassene Stimmung, Gratulationen, die Aktien unserer Firma steigen. Annie fängt mich vor dem Labor ab und fragt, ob wir nicht lieber feiern wollen. Das haben wir uns sicher verdient, also ziehen alle in unsere Stammbar!

Leicht verkatert wache ich auf. Penny sagt, dass heute morgen dauernd Telefon für mich war - vielleicht ein außerordentlicher Nobelpreis, hehe? Auf dem Weg zum Auto werfe ich ein Blick in die Zeitung. Ich schaue genauer hin. Lese den Artikel immer wieder. Da steht, dass unser Impfstoff nicht nur Krebszellen tötet, sondern alle. ALLE lebenden Zellen! Ich rase zur Arbeit, meine Kollegen stehen verunsichert herum, in ihren Blicken Angst, Fragen... auch Wut? Das Labor ist abgeschlossen und ich suche nach jemandem mit dem Schlüssel. Auf dem Dach treffe ich zufällig Matthew. Er sieht schrecklich aus, zittert und meint, dass alles noch viel schlimmer als gedacht sei. Dann springt er vor meinem Augen in die Tiefe...!

Beim Aufstehen fragt Penny, warum ich noch zur Arbeit wolle, es habe doch eh alles keinen Sinn mehr. Aber ich muss. Ich muss! Molly fragt, warum keine Schule ist... In den Straßen protestieren die Menschen, aber wogegen eigentlich?! Das Labor ist wieder verschlossen und kaum jemand da. Schließlich finden ich meinen Boss auf dem Dach. DEM Dach. Er werde nicht springen, versichert er mir, und schickt mich dann nach Hause zu meiner Familie. Doch ich besorge mir von Ryan den Laborschlüssel.

Penny und Molly schlafen noch. Die Zeitung schreibt von weltweiten Aufständen und dass morgen 50 Prozent der Weltbevölkerung tot sein werden. Plötzlich steht mein Boss und einige Kollegen vor mir. Sie seien da vielleicht einer Lösung auf der Spur - ich komme natürlich mit ihnen! Annie fängt mich mal wieder vor dem Labor ab und fragt verlegen, ob ich nicht einfach mit ihr hier abhauen möchte. Ich lasse sie stehen und arbeite bis spät in die Nacht. Zuhause trete ich vor dem Bad in eine Pfütze. Als ich die Tür öffne, sehe ich Penny. Sie hat sich in der Badewanne die Pulsadern durchgeschnitten.

Molly steht im Schlafzimmer und fragt, wo Mami sei. Ich nehme sie auf den Arm und fahre mit ihr zur Arbeit. Die Straßen sind fast menschenleer. Vor dem Labor liegt Bruce - und Annie in einer Blutlache! Fast ist hier passiert?! Ich halte Molly die Augen zu und stürme ins Labor.

Bin heute kaum aus dem Bett gekommen, ich fühle mich schwach. Ich nehme Molly und schleppe mich zum Auto. Die Zeitung war gestern schon nicht mehr erschienen. Straßen wie ausgestorben. Haha. Ich setze Molly im Foyer ab und gehe ins Labor. Die Leichen liegen immer noch auf dem Boden. Keine Zeit. Starre auf den Computer. Testergebnis wieder negativ. Ich setze mich erschöpft auf den Boden.
"One Chance is a game about choices and dealing with them." Bedrückend. Brilliant. Wenn man nicht die Flash-Cookies löscht, kann es nur ein einziges Mal gespielt werden. Denn: "In six days, every single living cell on Planet Earth will be dead. You have one chance." Ich habe das Spiel bisher dreimal durchgespielt; oben ist mein zweiter Durchlauf wiedergegeben. Beim ersten Mal habe ich nur am Anfangstag gearbeitet, bei der "dritten Chance" an jedem Tag.

One Chance wurde von AwkwardSilenceGames ("My game development career has just peaked. It's all cocain, hookers and dying on the toilet from here") entwickelt und erschien am 02.12.2010 auf Newgrounds; die "Author Comments" dort sollte man vor dem ersten Spielen nicht lesen (Steuerung ist simpel: Leer- und Pfeiltasten). Ein konzeptionell ähnliches Spiel ist Every day the same dream von Molleindustria.

Update: Rock, Paper, Shotgun, die schon am 07.12. über One Chance berichteten, haben ein Interview mit AwkwardSilenceGames (da wird übrigens das Spiel mit dem wohl verstörendsten Titel aller Zeiten genannt: Babies dream of dead worlds).

(Via @InsertDiskII)

Montag, 6. Dezember 2010

The Wicker Men

Robin Hardys The Wicker Man aus dem Jahre 1973 gilt als Kultfilm, wird als einer der besten britischen Filme aller Zeiten und gar als "The Citizen Kane of Horror Movies" bezeichnet. Was das Zitat genau aussagen soll, weiß ich leider nicht - aus heutiger Sicht ist der Film weder besonders gruselig noch anspruchsvoll.

Der Inhalt (Spoiler!): Ein Polizist (Edward Woodward) reist auf eine isolierte Insel, nachdem ein Brief von einem dort verschwundenen Mädchen berichtete. Die Bewohner geben sich verschwiegen und wollen das Mädel auf einem Foto nicht erkennen - selbst die Mutter nicht! Bald entdeckt der streng katholische Polizist Widersprüche und kommt zu dem Schluss, dass dem Mädchen die Schuld an der letztjährigen Missernte gegeben wird und es deshalb im Sinne des auf der Insel praktizierten Naturglaubens geopfert werden soll. Doch er muss erkennen, dass alles ein abgekatertes Spiel der Insulaner war, und wird schließlich im "Wicker Man", einer riesigen, aus Weidenzweigen geflochtenen Statue verbrannt.

Die Ermittlungen des forschen Polizisten sind nicht übermäßig spannend inszeniert, zumal viele Hintergründe sich recht früh andeuten - oder mit dem Holzhammer präsentiert werden, wenn der Schutzmann seiner Majestät in der Bibliothek der Insel laut in einem Buch über Opferrituale liest. Während eine Bewohnerin daneben sitzt!

Mehr Unterhaltungswert gewinnt The Wicker Man heutzutage durch die irritierende Darstellung des Inselbrauchtums. Man huldigt den "alten Göttern", die sich im ewigen Kreislauf der Natur, durch Tod und Fortpflanzung offenbaren. So beobachtet der Polizist in der ersten Nacht sich paarende Paare auf den Wiesen und im Gasthaus singen Jung und Alt anzügliche Lieder über die schöne Wirtstochter (Britt Ekland).

Es existieren mehrere Schnittfassungen des Films: Im Original tanzt die nackte Wirtstocher im Nachbarzimmer des Polizisten seltsam herum, trommelt gegen die Wand und singt ein verlockendes Lied, während unten im Schankraum die Gäste den Beat vorgeben. Der Polizist kann sich nur mühsam beherrschen und wird von ihr am nächsten Morgen auch offen gefragt, warum er sie denn nachts nicht besucht hätte. Im Director's Cut tanzt sie erst später als Sirene herum, stattdessen schickt der ansonsten lange Zeit nicht auftretende Lord Summerisle (Christopher Lee) der Wirtsmaid einen Jüngling und die lautstarke Liebe samt Hippiemusik von unten bringt den Cop um den Schlaf. Parallel dazu werden kopulierende Schnecken montiert...

Derartige Merkwürdigkeiten passieren öfters im Film, der aufgrund der vielen diegetischen Gesangseinlagen stellenweise wie ein Musical zum Thema Fortpflanzung wirkt, frühzeitige Aufklärung und Bewegungsübungen inklusive. Das Highlight dürfte die Maibaumszene sein - phallic symbol, touch it! Nackt übers Feuer springende Mädchen, lebenden Frösche im Mund gegen Halsschmerzen und Christopher Lee mit wirren Haaren und steilen Outfits (u.a. als Frau) sind weitere verwirrend-unterhaltsame Augenblicke. Ein gewichtiger Themenkomplex, nämlich die aufeinander prallenden Religionen - Wiedergeburt vs. Wiederauferstehung -, funktioniert in unserer heutigen säkularisierten Welt nur noch bedingt, zumindest dürften viele die christlichen Ereiferungen des Polizisten nur mit einem Schulterzucken quittieren.



2006 erschien ein gleichnamiges US-Remake von Regisseur Neil LaBute mit Nicolas Cage in der Rolle des Polizisten. Im Director's Cut des Originals gab es einige Minuten (unnötiger) Vorgeschichte, die nicht auf der Insel spielten. Natürlich kommt kein Hollywood-Film ohne so etwas aus, also die volle Ladung: Cage kontrolliert ein Auto, das plötzlich von einem Truck gerammt wird. Fahrerin tot, Kind verbrennt auf der Rückbank und schon kann Cage seine Paraderolle als weinerlich-mitgenommenes Wrack spielen, das seit dem Vorfall unter Alpträumen und Visionen leidet. Und da die Macher wohl früh gemerkt haben, dass The Wicker Man im Kern gar nicht gruselig ist, werden die Träume und Einbildungen überstrapaziert - natürlich ohne dem Film zu helfen. Das Mädchen im Auto konnte der Cop nicht retten, aber vielleicht das lost girl, von dem ihm ein Brief berichtet - geschrieben von der Frau, die er vor Jahren fast geheiratet hätte (Kate Beahan)! Okay, was fehlt hier noch? Genau, als Pseudotwist kommt später heraus, dass das Mädchen seine Tochter ist.

Und um den Zuschauer nicht zu überfordern, wird schon vor dem Erreichen der Insel erklärt, dass dies eine Farmerkommune in Privatbesitz ist, schön anachronistisch ohne Telefon und mit rustikalen Häusern. Kurz nach der Ankunft heißt es schon "Unsere Ernte im letzten Jahr war verflucht" und zwei Hutzelweiber murmeln von der Rückkehr des "Wicker Man". Cages Ex-Flamme und Mutter des gesuchten Görs ist dann aber auf Seiten des Cops und berichtet verängstigt von Beobachtung und Kontrolle durch die anderen Bewohner, die natürlich keinerlei zotige Lieder singen. Titten und "Hoppe, hoppe, Reiter" wurden auch gestrichen, einzig in der Dorfschule können die fleißigen Schülerinnen die Frage beantworten, was den Mann in seiner reinsten Form repräsentiert: Das Phallussymbol; der Maibaum steht derweil ungenutzt im Hintergrund rum.

Wie schon im Original kommt kaum ein Gefühl der latenten Bedrohung auf, was beim Remake, das stärker damit spielt, wenig vorteilhaft ist. Des Schaueffekts wegen hat Cage eine Bienenallergie, knallt in einen Bienenstock und wacht im Haus des hier weiblichen Anführers auf, Schwester Summerslsle (Ellen Burstyn). Die interessante Idee der Matriarchatsgesellschaft wird jedoch kaum ausgeführt, von ein paar schüchtern-schweigsamen Männern abgesehen.

Irgendwann geht es dann zum Finale, Cage durchsucht wie im Original jedes Haus und mogelt sich unter die Ritualteilnehmer, nicht ohne zuvor ein paar Frauen zu verprügeln (ungefähr einziger WTF-Moment des Films, auch wenn schon sehr deutlich daneben geschlagen wird). Immerhin wird Cage dann auch im Wicker Man verbrannt, ohne die christlichen Monologe von 1973, sondern "nur" unter Schmerzensschreien. Man hat ihm nämlich vorher noch schnell beide Beine gebrochen und ihn Candyman-mäßig mit Bienen traktiert - überflüssige Gewalt, die in der deutschen Version gekürzt wurde. Dafür gibt's einen dämlichen Epilog, in dem Cages Ex auf dem Festland wieder auf Opfersuche geht.



Das Remake ist ein langweiliger Film, der eine Zeitlang falsche Erwartungen weckt (unheimliche Visionen, Kinoplakat!), ansonsten vieles in Eindeutigkeiten erstickt. Im Original waren die Insulaner auf den ersten Blick normale Menschen, hier Amish-Abklatsche - also von vornherein als bedrohliche Spinner identifizierbar. Deshalb wurde auch das abschließende Ritual stark zusammengekürzt, da eben der Widerspruch zwischen moderner Gesellschaft und archaischer Religion fehlt. Das Original ist sicherlich nicht spannender, aber koitale Volksweisen und blanke Busen sind unterhaltsamer als Nicolas Cage, der drei Frauen K.O. schlägt.

Freitag, 26. November 2010

Pinball FX2

Ich hätte es probieren sollen! Auf dem Tisch "Rome" des auf Xbox Live veröffentlichten Flippers Pinball FX2 hatte ich zwei Kugeln im Spiel. Beide landeten in der linken Outlane, wo der Auto-Plunger aktiv war. Nun kam die "most advanced ball physics [...] to date" des "definitive leader in arcade-style pinball videogames" zum Tragen:

Die untere Kugel wurde vom Auto-Plunger gegen die obere geschossen und fiel dadurch zurück in den Outlane-Schacht, während die obere gegen ein nahes Hindernis knallte und dadurch ebenso gen Outlane rollte. Die untere Kugel wurde vom Auto-Plunger gegen die obere geschossen und fiel dadurch zurück in den Outlane-Schacht, während die obere gegen ein nahes Hindernis knallte und dadurch ebenso gen Outlane rollte. Die untere Kugel wurde vom Auto-Plunger gegen die obere geschossen und fiel dadurch zurück in den Outlane-Schacht, während die obere gegen ein nahes Hindernis knallte und dadurch ebenso gen Outlane rollte.

Mit anderen Worten: Die Kugeln bewegten sich immer genau gleich und da der Auto-Plunger aus unbekannten Gründen aktiv blieb, bekam ich konstant ein paar hundert Punkte, wenn die Kugeln sich berührten und die Computerstimme "Deus ex Machine" säuselte. Nach einer halben Minute habe ich dann getiltet, aber rückblickend hätte ich einfach abwarten sollen, ob so einen unschlagbarer Highscore erreichbar gewesen wäre. Auch wenn ich die Xbox dazu stundenlang hätte laufen lassen müssen.

Ansonsten gefällt mir das Spiel bis jetzt sehr gut: Die vier Tische des Kernpakets sind interessant und komplex, aber nicht zu abgedreht, während die Ballphysik (überwiegend ;-) realistisch wirkt. Es gibt viele Optionen, eine umfangreiche Multiplayer-Integration und ganze sieben Kameraperspektiven - leider ohne Vollbildmodus für 4:3-Fernseher.

Pinball FX2 wurde von ZEN Studios entwickelt und erschien am 27.10.2010 auf Xbox Live Arcade für 800 MSP.

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